Emmanuel Macron:Der Präsident, der nicht sparen kann

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Macron spart ungewohnt zaghaft - und dabei noch ungerecht. (Foto: AFP)

Der französische Präsident spart nicht nur zu wenig, sondern auch noch falsch: Er trifft diejenigen, die sowieso nichts haben.

Kommentar von Leo Klimm, Paris

Das Gelände wird schwerer, anspruchsvoller. Für Emmanuel Macron mag das erste Amtsjahr ein Erfolg gewesen sein. Zu Beginn des zweiten gerät Frankreichs Präsident auf eine ungemütliche Rüttelpiste - nicht nur, weil jetzt mit Umweltminister Nicolas Hulot das populärste Kabinettsmitglied hingeworfen hat. Sondern vor allem, weil das Wirtschaftswachstum nachlässt. Die Bedingungen seiner Politik verschlechtern sich, wenn auch nur leicht. Prompt gibt Macrons Regierung in schlechtester französischer Tradition ihre Schuldenziele auf: Das Staatsdefizit wird in diesem Jahr nicht wie bisher geplant sinken; 2019 wird es sogar steigen, obgleich es unter der EU-Defizitgrenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung bleiben soll.

Die Finanzpolitik der zweitgrößten europäischen Volkswirtschaft geht alle in der Euro-Zone etwas an. Und so gibt Macrons Fahrt über die Rüttelpiste Aufschluss über eine Frage, die aus deutscher Sicht besonders interessiert: Kann Macron auch sparen? Ausweislich des Haushaltsplans, den die Regierung nun verkündet, muss die Antwort lauten: Macron spart zu wenig. Dort, wo er es doch tut, macht er es falsch. Macron ist ungewohnt zaghaft - und dabei noch ungerecht.

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Der französische Präsident will deshalb ein europäisches Verteidigungsprojekt vorantreiben. Auch gegenüber Russland zeigt Macron sich offen.

Wenn es um die Nettoausgaben geht, die durch eine Neudefinition der in Frankreich traditionell weit gefassten Staatsaufgaben gemindert werden müssten, zeigt sich Macron einfalls- und mutlos. Lieber kürzt er nach der Rasenmähermethode Renten und Sozialleistungen. Der Präsident und sein Premier Édouard Philippe sparen einfach der Konjunktur hinterher, in der Hoffnung, damit die EU-Vorgaben einzuhalten. Das kann sich rächen. Denn so wie zuletzt die Senkung des Defizits unter die Drei-Prozent-Grenze fast allein konjunkturbedingten Mehreinnahmen zu verdanken war, so droht Frankreich ohne strukturelle Veränderungen die europäischen Regeln wieder zu sprengen, sobald ein echter, harter Abschwung kommt.

Macron spart also, erstens, zu wenig. Er könnte mehr Beamtenstellen streichen, indem schlicht weniger Posten pensionierter Staatsdiener nachbesetzt werden. Der Regierung zufolge sollen 4500 Stellen im Jahr 2019 wegfallen, 2020 noch einmal 10 000. Das ist nicht ehrgeizig angesichts der Gesamtzahl von 5,6 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Das anfängliche Ziel, 120 000 Stellen bis 2022 abzubauen, wird Macron fast sicher verfehlen.

Viele Beamte bedeuten nicht, dass der öffentliche Dienst in Frankreich durch Leistung im Sinne der Bürger bestäche. Wer je das kafkaeske, vielschichtige System organisierter Unverantwortlichkeit französischer Verwaltungen erlebt hat, der weiß, dass für den Effizienz-Fanatiker Macron viel zu tun wäre. Er wagt sich jedoch nicht an Strukturen und Präfekturen, nicht an Gewohnheiten oder an lächerlich kleine Gemeinden - also an eine grundsätzliche Umorganisation, die viel Geld sparen könnte.

Zu Recht empören sich Rentner, die wenig haben - Macron trifft ausgerechnet sie

Macron spart, zweitens, falsch, denn er spart ungerecht. Sein Premier verfügt unterschiedslose, das heißt unsoziale Einschnitte bei Rente, Familienleistungen und Wohnhilfen; die Inflation wird hier künftig nicht mehr ausgeglichen. Mit Recht empören sich die Empfänger kleiner Ruhestandsgelder und geringer Arbeitseinkommen. Frankreichs Rentner mussten unter Macron schon die Anhebung einer Sozialsteuer hinnehmen. Zwar gehören sie insgesamt betrachtet zu den bestgestellten Rentnern Europas. Doch das rechtfertigt nicht blinde Kürzungen bei den Armen. Die eigentlich wichtige Rentenreform, die 2019 geplant ist und die auf die Abschaffung von Vorzugsrenten abzielt, wird nach dieser Vorgeschichte nicht leichter durchzusetzen sein.

Auf ebener Fahrbahn hat Macron das Meiste richtig gemacht. Er hat Arbeit belohnt, Firmen entlastet, Steuern gesenkt und Anreize für Investitionen geschaffen. Nur: Jetzt, da die Rüttelpiste beginnt, kommt es auf die richtige Reaktion an. Die verzagte und zugleich ungerechte Sparpolitik ist die falsche Reaktion. Nicht nur mit Blick auf Frankreichs Staatsfinanzen.

Sie birgt für Macron auch doppeltes politisches Risiko: Innenpolitisch ist es schon misslich, dass wegen der schwächeren europäischen Konjunktur das Wachstum lahmt - Macrons investorenfreundliche Politik aus Sicht vieler Wähler also nichts bringt. Nun begründet die Regierung damit auch noch pauschale Einschnitte und bestärkt so Populisten von links und rechts, die Macron als "Präsident der Reichen" abstempeln. In Europa wiederum könnte er in der nächsten Konjunkturkrise wie der Präsident erscheinen, der ein neues Frankreich versprach - und wegen unterlassener Reformen staatlicher Strukturen doch in die alte Schuldenpolitik verfiel.

© SZ vom 30.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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